[dt] „Spiel mit dem Feuer“ – 2005

Anschreiben (August 2005)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Seit Monaten haben wir keinen Niederschlag, die Einheimischen halten nun von Umweltschutz gar nichts, zementieren munter jeden Vorgarten und jeden Bürgersteig zu ( z.T. Überzeugung, z. T. politische „Programme“ zu Wucherpreisen, an denen einige durch überhohte Kostenrechnungen verdienen), der Staub in der Stadt ist unerträglich und auch die kaltblütige Gleichgültigkeit mit der die Leute Parkanlagen, Urwald und sonstiges zerstören ( und die Ignoranz der Leute diesbezüglich sowie die brutale Gier der Stiftungen, Unternehmen und Politik ebenso ).

Eine riesengroße Mennonitengemeinde hat sich vor mehreren Jahrzehnten östlich der Stadt Santa Cruz angesiedelt und langsam aber sicher bringt der erosionsgefährdete Boden der Tropen ihnen nicht mehr genug Ertrag, da auch sie sich mit Umweltschutz kaum befasst haben. In ihren Siedlungen ist der Staub in der Regel mindestens so allgegenwärtig wie in der Stadt Santa Cruz und nachweislich ist die Niederschlagsmenge des Raumes Santa Cruz bedenklich zurückgegangen aufgrund der Abholzungen von primärem Tropenwald.

Einheimische Dörfer sehen z.T. aus wie Buschdörfer Afrikas in Dürrezeiten, aber keinen scheint es zu stören. In der Stadt wird mit radikaler Besessenheit die Bodenversiegelung vorangetrieben.

Die Einheimischen betreiben Brandrodung wann immer es nur geht und auch in der Stadt brennt es regelmäßig.

Die Forstaufsichtbehörde möchte ich an dieser Stelle in ihren Strukturen nicht  beurteilen, kenne insgesamt jedoch  einheimische Institutionen, Stiftungen, etc.  nur als korrupt und in machiavellistischer Weise von Machtgier und Eigeninteresse einzelner durchdrungen und in ihren Strukturen unbeständig und unzuverlässig. Einzelne Personen – allerorten, sogar in der Forstbehörde, auch mit deutscher Abstammung – habe ich als insgesamt in unseriösen Strukturen beheimatet kennengelernt. Die Polizei funktionert praktisch nur gegen Geld oder nach Lust und Laune und es ist schwer, in ihrem Handeln irgendwelche Polizeirichtlinien oder Prinzipien zu vermuten.

Architekten „mit Vitamin B“ landen über Nepotismus in der öffentlichen Verwaltung und entwerfen „Projekte“ zu überhöhten Preisen, an denen einige wenige saftig verdienen, jedoch z.B. die Wurzeln alter Bäume rücksichtslos abgehackt werden, wenn es darum geht, “ des Images wegen“ einen neuen Gehweg in die Stadt zu zementieren oder einen Park mit Gras zu bepflanzen – das nach wenigen Wochen absolut vertrocknet oder zertrampelt sein dürfte-  oder auf völlig sinnlose oder gar verantwortungslose Weise zuzubetonieren ( der nötigen – überhöhten – Kostenvoranschläge wegen ).

„Umweltschutz“ und „Waldschutz“ ist hier offenbar- wie alles- nur manipulatives Schlagwort zur radikalen Verfolgung monetärer Eigeninteressen, sei es in „Stiftungen“, Regierungsinstitutionen oder seitens privater sonstiger Gruppen.

Die Gemeinde der Mennoniten wandert langsam aber sicher nach Norden in die – noch – feuchten Waldgebiete ab, um auch dort abzuholzen, nachdem die inadäquate Landwirtschaftstechnik und der erosionsgefährdete Tropenboden ihrer ehemaligen Ländereien nichts mehr hergibt.

Empirische Schreiner und Handwerker holzen nach Gutdünken Tropenwald ab, um wenig professionel Holzmöbel und dergleichen „zum Verschleiß“ herzustellen.

Für Weiterleitung dieses Schreibens an an entsprechende Institutionen wäre ich Ihnen dankbar! Ich bitte Sie hiermit ausdrücklich darum, dieses Schreiben an alle einschlägigen Institutionen ( Entwicklungshilfe, Universitäten, etc. ), die auf den entsprechenden Gebieten tätig sind, weiterzuleiten!

In Ländern wie Bolivien muß Umwelterziehung DRINGEND in den obligatorischen Schulunterricht und auch in JEDES Hochschulfach mit aufgenommen werden! Man studiert hier  Jura, Betriebswirtschaft und Medizin, hat keinerlei Allgemeinbildung in Sachen Umwelt, Hygiene, Biologie, die sich irgendwie im Altlag niederschlägt und auch ansonsten scheint es sehr an gesundem Menschenverstand und Urteilsvermögen zu mangel , kein Mensch kümmert sich um städtische Grünflächen – Wald, ja sogar Gartenblumen werden rücksichtslos „totgetreten“, gedankenlos oder systematisch zerstört. Die jetzige junge Generation wird über die Zukunft der „grünen Lunge “ der Erde entscheiden und daher MUß Umwelterziehung und Umweltpolitik obligatorischer Bestandteil der Ausbildung (schulisch, Universität) werden, die Hochschulen brauchen einige wenige und spezifische Bildungsabschlüsse im Umweltbereich sowie entsprechende Fachausbildungen, sonst ist m.E. alles in Sachen Waldschutz in Lateinamerika mehr als vergeblich. Hier besteht KEINERLEI Umweltbewußtsein, alles gilt als “ erneuerbar “ und “ lästiges Unkraut“ oder „Finanzquelle“ Das Thema „Staub“ in der Stadt wird durch Zement „gelöst“ und der „Klimawechsel“ wird in einer Sekte totgebetet oder „versoffen“. HIER IN SANTA CRUZ IST AUGENSCHEINLICH WEDER DIE GTZ NOCH ORO VERDE NOCH SONSTWER AKTIV UND FACHAUSBILDUNGEN, UMWELTBILDUNG, ETC GIBT ES NICHT. Die staatl. Schulen sind eine einzige staubige Sandfläche ohne jegliche Bepflanzung oder gar gepflegte Gärten. Was nutzt es, wenn ein bolivianischer „Journalist“ in Europa ein Aufbaustudium „Methodik der Umwelterziehung“ oder dergleichen wahrnimmt – jedoch die Inhalte nicht kennt? Was, wenn ein vermeintlicher Gärtner beim Mähen des Rasens systematisch alle Graswurzeln vernichtet, ein Schlammloch schafft, das dann „der Hygiene wegen“ zubetoniert wird und ferner behauptet, Büsche seien Bäume?

M.E. benötigen Länder wie Bolivien eine internationale Beaufsichtigung der Forstaufsicht und entsprechende „Repressalien“ sofern Vorgaben mißachtet werden. Desgleichen systematische Grundinformation über biologische, ökologische und tropenökologische Sachverhalte, über Hygiene allgemein – da das Volk permanent brutal städtische Grünanlagen als Müllhalden nutzt und niedertrampelt, gebrauchte Kondome auf Grünflächen entsorgt oder vor den Augen aller auf dem Gelände der staatlichen „Universitas“ sexuellen Gelüsten frönt, mitten im Zentrum aus dem Luxusauto steigt, um an einem der wenigen gesunden Bäume der Stadt sein „Geschäft“ zu erledigen.

An Geld mangelt es Bolivien nicht, aber es fehlt ganz klar der Wille, denn der Weg des geringsten Widerstandes ist bequemer. Und es fehlt systematische Information – als Hilfe zur Selbsthilfe und Druckmittel.

Ohne Tropenwald und angemessen begrünte Städte hat jedoch bald niemand mehr etwas – aber das weiß hier die Bevölkerung kaum, es ist kein Thema! Man lebt stupide und egoistisch „wie ein Tier“ vor sich hin – und die junge Generation lernt nichts als genau das auch! Und den dummen Touristen wird dann allerorten verallgemeinernd in Form einer Hirnwäsche gesagt, das sei „einfach eine andere Kultur“!

Wo sind die Kirche, die internationale Gemeinschaft, die Naturschutzorganisationen, die Entwicklungshilfe, die Botschaften, die Unternehmer?

Die Ressourcen gehen nicht einzelne Staaten an ! Warum haben die deutschsprachigen Mennoniten keinerlei Ahnung vom deutschen Schulwissen in den Fächern Biologie, Geographie und Ökologie? Warum weiß jeder deutsche Hauptschüler, Realschüler, Berufsfachschüler oder Gymnasiast, daß man zu entsprechenden Zwecken ein WC benutzt, nicht den Inhalt seiner Nase permanent auf den Boden entsorgt, sich beim Kochen die Hände wäscht und Bäume die Grundlage unserer Existenz auf dem Planeten sind? Warum weiß JEDER Schüler in Deutschland, was Desertifikation und Entwaldung in den Tropen für jedes Land des Planeten bedeutet, egal wo es passiert?

Warum kommt dieses Wissen um grundlegende Überlebensstrategien hier absolut nicht an?

 Martina Strieder, Santa Cruz

Kontakt

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13. 09. 2010: Pasaje Berlín, an der Avenida Uruguay im Zentrum von Santa Cruz de la Sierra.

Brandrodungen in ganz Ostbolivien, verstärkt durch die wahnwitzige Landbesetzer – und Siedlungspolitik der herrschenden politischen Gruppen. Seit Wochen raucht und schmaucht es in ganz Bolivien, Flughäfen sind inmitten der Feuer lahmgelegt ( nicht nur der politischen… ) und der Bürger des Mittelstandes muss sich abfinden mit dem überproportionalen Ausmass der unvermeidlichen Kosten für Medikamente gegen Kopfweh, Allergien und dergleichen. Der Mitmensch, die Umwelt, das Gemeinwohl, Mutter Natur?

Vade retro!

Alles wird abgefackelt, vom Flughafengelände bis hin zum Wald und zu Wiesengelände, „um Schlangen zu töten und lästige Tiere“. Bislang wurde ein deutschstämmiger Mennonit im Ort Cotoca festgenommen als „erster Schuldiger“, aber ernsthafte und wissenschaftliche Gedanken und Sorgen macht sich niemand wirklich. Gemeinwohl, Umweltschutz, der Nächste, die Kreatur und Schöpfung, das sind in Bolivien Fremdworte, es ist halt „eine andere Kultur“.

Außerdem seien ja die heutigen Mestizen – nun  zu reinrassigen „indigenen Völkern“ hochstilisiert – 500 Jahre lang von ihren eigenen Vorvätern und offensichtlich den heute die Umwelt schützenden Europäern ( der katholischen Kirche, dem Humanismus, usw.) mißbraucht worden, man habe ihnen die Augen ausgestochen, die Hände abgeschlagen – und müsse nun dafür Buße tun und Reparationszahlungen leisten, in welcher Form auch immer.

Außerdem habe man – wissenschaftlich gesehen – recht, daher ist nun seit wenigen Stunden ( ? ) ein Gesetz in Kraft, das kritische Äußerungen in diesem Sinne strafbar zur strafrechtlichen Disposition stellt. Es lebe der kulturelle Rückschritt!

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13. 09. 2010: Seit Wochen, ja Monaten: Kohlendioxyd, Kohlenmonoxyd, Rauch, Staub, Hitze und Trockenheit. Hier sieht man die Wald – und Buschfeuern nicht, aber man erahnt sie – es ist Nachmittag und dennoch sieht man nur wenige Hundert Meter weit und kann kaum die Sonne ausmachen.

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